Mittwoch, 12. Januar 2011
Tunesien im Volksaufstand
Tunesien gilt in der Wahrnehmung vieler Deutscher und Europäer als ruhiges und modernes Urlaubsland. Übersehen wird dabei, dass es sich um eine mit drakonischen Mitteln erkaufte Friedhofsruhe handelte, die kaschiert dass in Tunesien außerhalb der Touristenzentren eine siebzig prozentige Arbeitslosigkeit herrscht.Macht man sich nun klar das über 70% der Tunesier und Tunesierinnen unter 30 sind wird klar welch sozialer Sprengstoff hier tickt.Dieser Sprengstoff ist am 17.12.2010 hochgegangen, als sich der Arbeitslose Akademiker Mohammed Bouazizi mit Benzin übergoss und wenig später starb. Auslöser seiner Verzweiflungstat war die Beschlagnahme seines Obststandes durch die Polizei.
Seitdem ist In Tunesien die Hölle los. Bei Massendemonstrationen wurden bisher dutzende Menschen getötet. Das Regime reagiert einerseits mit harter Hand und stellt die Protestler Kurzerhand mit Terroristen auf eine Stufe die vom Ausland gesteuert würden, anderseits spricht Präsident Ben Ali großmäulig von bis zu 300.000 neuen Arbeitsplätzen die bis 2012 entstehen sollen. Während alles andere als klar ist ob Ben Alis Versprechungen die Situation noch beruhigen können,kann sich Ben Ali auf die Unterstützung der EU verlassen, Die EU schätzt Tunesien indem über 2700 Joint Ventures aktiv sind als sicheres Investment, und zwar ungeachtet der katastrophalen Menschenrechtslage im Land. Auf dieses Faktum weist auch die bekannte tunesische Menschenrechtlerin Sihem Bensedrine in einem lesenswertem Interview hin. Wie schon 2009 im Iran vernetzen sich die Protestler auch in Tunesien fleißig via Facebook und Twitter . Ob diese Strategie wesentlich erfolgreicher und langlebiger als im Iran sein wird bleibt abzuwarten ich persönlich glaube aber dass die Regierung das Problem Internet mindestens auf mittlere Sicht in den Griff bekommt.
Kaum einzuschätzen ist ganz generell wie es weitergehen kann. folgt man Christopher Alexander kann die wende in Tunesien Jahre dauern, weil die völlig marginalisierte Opposition erst einmal Zeit benötigt sich zu organisieren.Alternativ hält es Alexander aber auch für möglich dass ein neuer Autokrat das Ruder übernimmt.So oder so wird in Tunesien in nächster Zeit wohl vieles in Bewegung bleiben. Ich werde versuchen die Entwicklung weiter zu beobachten. Macht man sich jetzt noch klar, dass es parallel auch Unruhen in Algerien gibt zeigt sich das der Maghreb insgesamt brennt.
Ok, weg ist er dann schon mal. Das ging irgendwie schneller, als ich erwartet hätte. Das könnte aber auch einfach daran liegen, dass die Unruhen in Tunesien erst in den letzten Tagen wirklich in den Medien breitgetreten wurden.
AntwortenLöschenWie es weitergeht, kann ich aber auch nicht einschätzen, die ganze Region ist ein großer Unbekannter für mich.